Was ist gute Schule, Philip Stade?

Im Gespräch mit dem Gymnasiallehrer, Doktoranden und derzeitigem Grundschullehrer Philip Stade geht es um Urheberrecht, gute Schule, die Zwänge und Freiheiten des Referendariats, Authentizität und Transparenz. 

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3 Gedanken zu „Was ist gute Schule, Philip Stade?

  1. Hallo ihr zwei,
    erstmal ein kurzes Danke an Bob. Ich denke, dass der Podcast vielen Referendar_innen helfen kann. (bei uns in Hessen heißt das ja jetzt Lehrkraft im Vorbereitungsdienst [LiV]) Ich habe jetzt auch schon einiges gehört, was ich lieber am Anfang des Refs schon gewusst hätte. ¯\_(ツ)_/¯.
    Ich möchte kurz etwas einwerfen, was ich beim ersten Hören noch schlimmer aufgefasst habe, als dann beim zweiten Hören. Ich möchte das trotzdem anmerken.
    Ich glaube nach dem Referendariat setzt ein wenig die Verklärung des erlebten ein. Man hat das ja überlebtTM und dann kann das nicht sooo schlimm gewesen sein. Ein Mechanismus den man auch bei Initiationsriten beobachten kann und wo man sich selbst kritisch hinterfragen sollte. In den krassesten Formen bedeutet das nämlich dann auch, dass sich die schlechten Teile eines Systems nie ändern werden. Dabei sollte man vor allem über das Referendariat als Selektionsmechanismus meiner Meinung nochmal nachdenken.
    Gepaart mit einem vagen Wissen über das Referendariat in anderen Bundesländern wird das dann sehr gefährlich. Ihr sprecht ab Minute 10 über das Referendariat und den Bildungsföderalismus und Bob sagt ungefähr bei Minute 11:20, dass der Druck ja überall ungefähr gleich wäre. Für die einzelne Lehrprobe / den einzelnen UB mag das stimmen, aber die Anzahl und die Gewichtungen der UB in verschiedenen Bundesländern unterscheidet sich vollkommen.
    Ich bin zum Beispiel in Hessen am Gymnasium und wir haben 4 UB pro Semester, weil wir unsere UB pro Modul und pro Semester koppeln können. Im GHRF-Seminar (Grund-, Haupt-, Real- und Förderschule), was im gleichen Haus ansässig ist, ist koppeln zum Beispiel nicht möglich. Man muss also zwei UB pro Fach und dann bis zu 4 Modul-UB machen. Das sind 8 UB im Semester. Diese müssen dann bis zu einem gewissen Zeitpunkt gemacht sein. In den ersten Wochen muss man sich die Lerngruppen aussuchen und die Ausbilder_innen müssen Zeit haben, um nur einige Probleme von vielen UB zu nennen. Praktisch sieht das dann bei 18 Unterrichtswochen und einem Nebenfach (Eine Doppelstunde pro Woche) so aus, dass man ab Woche 4 des Semesters noch 14 Wochen für die 8 UB hat, also nicht ganz alle 2 Wochen ein UB mit 4-8 Seiten Entwurf. Alleine zwischen meinem Arbeitsaufwand und dem GHRF-Aufwand ist schon ein riesen Unterschied. Meine Freunde aus Ba-Wü haben im Vergleich insgesamt weniger UB pro Semester zu leisten. (Ich habe nicht mehr genau im Kopf wieviel.) Dafür zählt dann der Examenstag in Ba-Wü mehr als in Hessen.
    Unterschiede gibt es aber auch sonst bei der Organisation. In RLP haben meine Bekannten keinen eigenverantwortlichen Unterricht mehr im Prüfungssemester, sondern sind doppelt gesteckt in den Examensgruppen. Ich habe 6-8 Stunden eigenen Unterricht und muss noch hospitieren.
    In vielen Bundesländern muss man keine Pädagogische Facharbeit (Zulassungsarbeit zum Zweiten Staatsexamen) mehr schreiben, die in Hessen parallel zum zweiten Hauptsemester geschrieben werden muss. Also zusätzlich zu 4 UB im gymnasialen und 8 UB im GHRF-Bereich.
    In GHRF gibt es in Hessen noch ein Modul „Schule (Mit-)Gestalten“, wo man nachweisen muss, dass man sich and er Schule eingebracht hat. Das ist bei uns am Gym gestrichen worden.
    Was will ich damit sagen?
    Es freut mich, wenn ihr wirklich ein geiles Ref hattet. Bedenkt aber bei diesen absoluten Aussagen über das Ref, dass ihr damit nicht mal im eigenen Bundesland über alle Referendar_innen eine Aussage treffen könnt. Gerade was die Arbeitsbelastung und den Stress angeht. Ich habe dabei noch vollkommen die Belastbarkeit von Individuen ausgelassen oder die von euch angesprochenen Prüfer_innen. Spaß und Zeit Sachen auszuprobieren hatte ich persönlich immer erst, wenn ich alle UB hinter mir hatte, weil sonst der Prüfungsdruck immer im Nacken sitzt.
    Liebe Grüße
    Jens

    • Danke, Jens, für deinen Kommentar. Ich finde es sehr gut, dass du darauf hinweist, wie unterschiedlich die Referendariate in den Bundesländern aussehen. Da gibt es sicherlich ganz unterschiedliche Belastungen je nach Bundesland.
      Ich hoffe allerdings, dass wir in dem Gespräch deutlich genug gemacht haben, dass es um unsere persönlichen Ref-Erfahrungen und keine „absoluten Aussagen“ ging. Ich hoffe nicht, dass da ein falscher Eindruck entstanden ist (habe es mir jetzt nicht nochmal unter dem Gesichtspunkt angehört). Dachte auch, dass wir gesagt hätten, welche Probleme andere im Ref hatten mit unfairen Seminarleitungen, hohem Erwartungsdruck etc.. Auch ich habe natürlich solche negativen Erfahrungen gemacht. Klar, eine Verklärung kann man im Nachhinein nie ganz ausschließen. Trotzdem denke ich, dass ich mein Referendariat tatsächlich so positiv erlebt habe, wie im Podcast zusammengefasst. Ich hatte in NRW, an meiner Schule und mit meinen Seminarleitern im Gegensatz zu dir viel Zeit zum Ausprobieren. Gleichwohl bin ich jemand, der viele Dinge am Referendariat auszusetzen hat und einige Dinge haben wir ja auch im Podcast erwähnt, wie die von mir wahrgenommene Willkür einiger Seminarleitungen. Persönlich fände ich es spannend, die Seminarleiter als reine bewertungsfreie Mentoren einzusetzen, die die Referendare bestmöglich auf eine externe Prüfung vorbereiten.

    • Dem kann ich nur zustimmen.
      Hinzu kommt meiner Erfahrung nach, dass du als Referendar ganz im Gegensatz zu meinen Erfahrungen aus dem Studium oft wieder behandelt wirst, als handele es sich bei dir um einen begriffsstutzigen 7. Klässler und nicht etwa um einen wahlberechtigten Zeitgenossen mit Universitätsabschluss.
      Zu der von Jens angesprochenen Verklärung gehört leider auch, dass die Seminarleitungen (die ja in ihrem ersten Leben auch Lehrer und damit mal Referendare waren) vielerorts kritische Anmerkungen von Referendaren zur Ausbildungsorganisation und den Ausbildungsbildungsbemühungen ungehört in den Schubladen verschwinden lassen als „das Gemaule von Leuten, die mit ihren Noten unzufrieden seien“. Wenn wir unseren Schülern Mitgestaltung ihrer Ausbildung zugestehen, sollte es ja für bereits erwachsene Auszubildende, die ja über ein größeres Reflexionsvermögen verfügen, erst recht möglich sein, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Ausbildung zu beteiligen. Dadurch das dies nicht berücksichtigt wird, wird es ja erst möglich, dass Ausbilder nach Gutsherrenart schalten und walten können und damit mancherorts die Latte so legen können, dass sie nur Menschen mit recht flexiblem Rückgrat überspringen können.
      Soweit meine 2 Cent zum Thema.

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